Kapitel 5

An einem schönen Sommermorgen, gerade wollte ich Domenik aus seinem Zimmer holen, um ihn für den Tag fertig zu machen, da erwischte ich ihn, als er gerade dabei war, seine Kacke auf seinem Körper und im ganzen Zimmer zu verteilen. Ich konnte den Geruch kaum ertragen. Wußte nicht einmal, wie ich ihn nach unten in Badezimmer bringen sollte. Ankämpfend gegen meinen Ekel und meiner Übelkeit, packte ich ihn mit spitzen Fingern und weit von mir entfernt haltend, den nunmehr hellbraunen Frosch und setzte ihn in die Badewanne und schrubbte solange, bis wieder Nikes natürliche Hautfarbe zum Vorschein kam. Danach begab ich mich in sein Zimmer, Wassereimer, Feudel und Schrubber abwechselnd von unten nach oben und von oben nach schleppend versuchte ich die Spuren zu beseitigen. Stets darauf bedacht, dass Sacha von diesem Malheur nichts mitbekam. Immer wenn er fragend aus seiner Zimmertür blickte, verscheuchte ich ihn, indem ich ihn anschnauzte. Es war mir höchst peinlich und unangenehm. Stundenlang putzte ich und versuchte den Gestank zu vertreiben. Es war besonders schwierig, da Domeniks gesamtes Zimmer mit unbehandeltem Holz verkleidet war und sich die Hinterlassenschaften tief in der Maserung versteckt hatten. Irgendwann war ich fertig, aber für den Tag nicht mehr zu gebrauchen.

Hier öffnete sich erneut eine Tür durch die ich gehen mußte, aber nicht gehen wollte.

Heute bin ich in der Lage, es zu verstehen. Damals fehlte mir jede Form des Verständnisses. Natürlich wußte ich, dass Kinder ihre anale Phase ausleben, in der Kacke einen Reiz auf ihren Geruchssinn ausübt. Bei Domenik war aber die Triebhaftigkeit derart ausgeprägt, dass es jeden Rahmen sprengt. Er wiederholte es jeden Tag, ohne das ich ein Mittel fand, ihn davon abzuhalten. Kein Schimpfen, kein hemmungloses Weinen konnte ihn daran hindern. Es war wie eine Sucht, der er sich leidenschaftlich hingab.

Es war Hochsommer, die Wärme staute sich in den oberen Räumen und der Geruch breitete sich bis in Sachas Zimmer aus. Ich verbot Sacha den Besuch von Freunden – ohne Erklärung. Selbst Gerd half mechanisch die Spuren zu beseitigen, ohne auch nur ein Wort über das Passierte zu verlieren. Sprachlosigkeit herrschte bie uns vor. Wir warteten gebannt auf ein Wunder. Darauf, dass Domenik genauso plötzlich damit aufhörte, wie er damit angefangen hatte.

Ab und an gab es eine Unterbrechung. Aus welchen Gründen auch immer. Aber wir wußten, dass es genauso urplötzlich wiederkommen konnte.

Es gab Zeiten und Gründe, die es mir leichter machten, damit umzugehen. Diemal war es ein Urlaub, der vor der Tür stand. Im Juli war ich dran, allein zu verreisen. Vier Wochen nach Amerika. Ein ehemaliger Bekannter lud mich und meine Freundin Andrea nach Florida ein. Wenn ich abends völlig fertig und ausgelaugt ins Bett fiel, träumte ich davon und das gab mir Kraft für den nächsten Tag. Hier sei noch angemerkt, dass all die anderen Ticks von Nike natürlich weiterhin ausgelebt wurden.

Es war soweit. Die Vorbereitungen getroffen und los ging es zum Flughafen. Nach 14 Stunden Flug und Wartezeiten landeten wir in Miami. Von da an begann eine wunderschöne Zeit. Tim besaß ein wunderschönes Haus in Delray Beach . Fünf Minuten zu Fuß vom Ozean. Wir wurden verwöhnt wie Prinzessinnen. Alles las er uns von den Augen ab. Der Kühlschrank war stets gefüllt mit den wunderbarsten Köstlichkeiten. Ein Auto und Fahrräder standen uns zu Verfügung, womit wir die nähere und weiter Umgebung erkunden konnten. Ich lernte mich zu entspannen und vergaß fast Hamburg und die ganzen Schwierigkeiten.

Gerhard war mit Domenik und Sacha sowie einigen Freunden nach Dänemark gefahren. Nur der Briefträger brachte mir ab und an die Erinnerung zurück. Dann fiel es mir schwer, zu glauben, dass es möglich war ein so wunderbares Leben zu führen. Ich spielte im Geiste mit dem Gedanken, für immer zu bleiben und den mir bevorstehenden Aufgaben zu entrinnen. – Natürlich blieb ich nicht. Ich flog voller Lebenlust zurück und freute mich darauf, Sacha und Nike wieder zu sehen.

Etwas müde von dem langen Flug stand ich dann vor der Haustür und wurde freudestrahlend von Sacha in den Arm genommen. Mein Fröschchen sah mich an und zeigte keinerlei Regung, nichts was ich als erkennen deuten konnte. Er drehte sich um und setzte sein begonnendes Spiel fort. Mein Mutterherz war irritiert, verzweifelt und fassungslos. Konnte das sein, das vier Wochen ausreichten, um mich aus seinem Gedächtnis zu streichen?

Nach Gerds Schilderungen verlief die ganze Zeit mit den Kindern ganz wunderbar. Er hatte absolut keine Probleme. Ich fing an, an meiner eigenen Wahrnehmung zu zweifeln und begann, von neuem den Versuch, so zu tun, als ob Domenik völlig “normal” war.