Kapitel 14

Mit dem Entdecken des Instrumentes „Sprache“ veränderte sich auch unsere Art der Auseinandersetzng. Endlose Debatten und Erklärungen für das Vorhandensein oder nicht Vorhandensein von Ereignissen wie, Sonnenauf- und Sonnenuntergang, dem Erscheinen des Mondes bei Nacht. Seine Zu- und Abnahme, der Wolken am Himmel und ihre jeweilige Form, der Jahreszeiten, der Namen der Tage und der Monate, sowie die Zahl der Jahre……….. Das Sezieren der Vorgänge vom hunderste ins tausendste. Jedes Wort wurde auf die Goldwaage gelegt. Mama ist kaputt, ließ ein Entsetzen in Dein Gesicht treten und forderte von mir heraus, Dir die Stelle zu zeigen, wo ich kaputt bin. Sacha ist krank, lockte die Frage heraus:  “ Krank ist? Fieber ist? Husten haben ist? Schnupfen haben ist?“ kaufte mir Bücher, die mir die Erklärungen leichter machten. Stifte und Papier in Unmengen, da oftmals Worte nicht reichten, zeichnete ich Dir bestimmte Dinge auf. Auch das half nicht immer, so dass ich oftmals resignierte und mir nichts übrig blieb, als zu sagen: „Schluss, aus, ich weiß nicht mehr!“ Dann hinterließ ich einen brüllenden und schreienden Domenik, der ein AUS und SCHLUSS nicht akzeptierenden wollte. Es tat mir so von Herzen leid.

Ich glaube, dass Du gedacht hast, ich sei allwissend. Schluss und aus konntest und wolltest Du nicht hinnehmen. Deine Energie und Ausdauer war nicht zu überbieten. Wenn sich Dein Schrei- und Brüllanfall gelegt hatte, wiederholtest Du stundenlang die selbe, unbeanwortete Frage. Du bist oft damit eingeschlafen und morgens damit aufgewacht.Ich glaube, ich habe in meiner gesamten Schulzeit nicht soviel gelernt, wie in der kurzen Zeit mit Dir. Unsere Bücherregale füllten sich von Monat zu Monat. Ich wälzte Lexika und Duden, Atlanten und Biologiebücher und alles, was sonst noch von Freunden hilfreich empfohlen und angeboten wurde. Wir fanden gemeinsam heraus, welche Pflanzen und Pilze giftig und ungiftig warenWieviel verschiedene Arten Säugetiere und Fische,(natürlich Salz- und Süßwasser) es gab. Die Saurier waren eine zeitlang Dein Lieblingsthema. Kontinente, Länder, Meere wurden mit dem Finger bereist und erforscht. Die Gebirge und Flüsse betrachtet. Stundenlang hocktest Du zwischen den Büchern und saugtest deren Inhalt auf. Aber nicht nur die Bilder interessierten Dich, sondern auch die Schrift und die Zahlen. So lerntest Du gleichzeitig, wenn auch langsam, das Lesen und Zählen. Irgendwann war ich dann auch nicht mehr so wichtig für Dich. Nachdem Du herausgefunden hattest, dass man anhand des Inhaltsverzeichnisses die entsprechende Information bekommen konntest, ging das Nachschlagen schneller als das Nachfragen und das Warten, bis ich Zwit hatte.

Dein nächster Schritt verlief wie vorprogrammiert. Die Zahlen, das Rechnen, die hohe Kunst der Mathematik. Deine Welt, Dein Halt für lange Zeit. Die Stütze in Deinem chaotischen Leben.

Der Zufall spielte Dir einen Taschenrechner von mir in die Hände. Ich ließ Dich nichtsahnend darauf rumspielen und in Kürze war der Eintritt in eine neue, spannende, erlebnisreiche Welt besiegelt. Welche Faszination, welch ein neuer Horizont offenbarte sich Dir. Was war alles möglich, unerschöpflich, unbegrenzt und im wahrsten Sinne des Wortes UNENDLICH.